Zwischen Morgengrauen und Wellenrauschen – die Berufsfischerei auf dem Zürichsee

Wenn die Dörfer entlang des Zürichsees noch schlafen und nur das Rauschen der Wellen zu hören ist, ist Sämi Weidmann schon längst unterwegs. Noch vor Sonnenaufgang legt er vom Steg in Riedikon ab – mit ruhiger Hand, geübtem Blick und einem tiefen Respekt vor dem See, der ihn seit seiner Kindheit begleitet. Was für viele nach Romantik klingt, ist für ihn tägliche Arbeit – eine, die Kraft, Ausdauer und vor allem Liebe zur Natur verlangt.

Ein Handwerk mit Geschichte – und Seele

Die Fischerei auf dem Zürichsee blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Schon im Mittelalter sicherten Fischer die Versorgung der Bevölkerung mit Eiweiss aus heimischen Gewässern. Während früher noch Dutzende Boote täglich vom Ufer ablegten, sind es heute nur noch wenige Berufsfischer, die den See professionell bewirtschaften. Einer von ihnen ist Sämi Weidmann – ein Fischer aus Leidenschaft, der die Familientradition von Emil und Elsbeth Zollinger fortführt.

„Ich bin auf dem See aufgewachsen“, erzählt Sämi. „Schon als Bub bin ich mitgefahren und habe geholfen, Netze einzuholen. Für mich war klar: Das ist kein Job, das ist ein Lebensweg.“

Die Fischerei Weidmann steht damit für ein Stück gelebte Zürcher Geschichte – fest verwurzelt im Umland, getragen von handwerklichem Können, Geduld und Verantwortungsbewusstsein.

Nachhaltigkeit bedeutet Verantwortung

Fischfang im Zürichsee ist keine Massenproduktion. Jeder Fang ist ein Balanceakt zwischen Nutzung und Schutz. Sämi Weidmann fängt nur das, was der See hergibt – und das auf nachhaltige, ressourcenschonende Weise. Schon beim Setzen der Netze achtet er auf Fangzeiten, Schongebiete und die natürlichen Zyklen der Fische.

„Wir nehmen nur so viel, wie die Natur hergeben kann. Mehr wäre auf lange Sicht ein Verlust – nicht nur für uns Fischer, sondern für den ganzen See“, sagt er.

Der Zürichsee ist Lebensraum für Egli, Felchen, Hecht, Zander, Trüschen und viele weitere Arten. Jeder Fisch hat seine Zeit, seine Tiefe, seine Jahresphase. Dieses Wissen ist über Generationen gewachsen – und lässt sich durch kein Handbuch ersetzen.

Vom Fang bis auf den Teller – alles aus einer Hand

Frischer geht es nicht: Was am frühen Morgen gefangen wird, wird noch am selben Tag verarbeitet, filetiert und verkauft.
Im kleinen, aber gut organisierten Betrieb in Riedikon wird jeder Fisch sorgfältig von Hand ausgenommen und für den Verkauf vorbereitet. Die Filets gelangen über kurze Wege in die Küche regionaler Restaurants oder direkt zu Privatkundinnen und -kunden, die Wert auf Qualität und Herkunft legen.

Neben frischem Fisch bietet die Fischerei Weidmann auch feine Räucherprodukte und hausgemachte Spezialitäten an – vom Felchenfilet bis zum beliebten Fischsalat. Alles ohne Zusätze, dafür mit Zeit, Sorgfalt und Erfahrung.

„Unsere Kundinnen und Kunden wissen, dass sie hier ein ehrliches Produkt bekommen. Kein Tiefkühlfisch aus Übersee, sondern etwas, das direkt vor ihrer Haustür gefangen wurde“, betont Sämi.

Zwischen Tradition und modernen Herausforderungen

So idyllisch der Beruf scheint – er ist heute härter denn je. Klimawandel, steigende Wassertemperaturen, invasive Arten wie der Kaulbarsch und der Druck auf die Gewässer verändern die Bedingungen spürbar. Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Menschen, die das Handwerk erlernen wollen.

Doch Sämi Weidmann bleibt optimistisch: „Der See ist lebendig, und wenn man ihn respektiert, gibt er einem auch etwas zurück. Ich glaube fest daran, dass regionale Fischerei Zukunft hat – gerade, weil die Menschen wieder bewusster konsumieren.“

Mit moderner Technik, aber traditionellen Werten zeigt er, dass Nachhaltigkeit kein Schlagwort ist, sondern tägliche Haltung.

Der Zürichsee – Lebensraum, Arbeitsplatz und Herzensort

Wer Sämi auf dem See erlebt, merkt sofort: Hier ist jemand am Werk, der seinen Beruf liebt. Die Ruhe am Morgen, das gleichmässige Schaukeln des Bootes, das Aufblitzen des Sonnenlichts auf den Netzen – all das gehört zum Alltag, aber auch zur inneren Verbindung zwischen Mensch und Natur.

„Jeder Tag ist anders“, sagt er. „Mal bringt der See reichlich, mal fast nichts. Aber genau das macht es aus. Es ist wie ein Gespräch mit der Natur – man lernt zuzuhören.“

Diese Beziehung zum Wasser, zu den Fischen und zu den Menschen, die seinen Fang schätzen, macht die Arbeit auf dem Zürichsee einzigartig. Sie verbindet Tradition, Respekt und ehrliches Handwerk in einer Zeit, in der vieles immer schneller und austauschbarer wird.

Ein Stück See für zu Hause

Ob Egli-Filets, Felchen, Hecht oder Räucherfisch – bei Fischerei Weidmann schmeckt man die Nähe zum Wasser.
Der Verkauf erfolgt nach Fangverfügbarkeit – direkt ab Hof in Riedikon oder auf Bestellung. Viele Stammkunden kommen seit Jahren, manche seit Generationen. Für sie ist der Einkauf beim Fischer nicht nur ein Genuss, sondern auch ein Stück gelebte Verbundenheit mit ihrer Region.

„Wir merken, dass die Leute wieder Regionalität suchen“, erzählt Sämi. „Wer einmal frischen Zürichsee-Fisch gegessen hat, kommt wieder.“

Handwerk, das man schmeckt – und spürt

Die Fischerei Weidmann steht für ehrliche Lebensmittel, nachhaltige Arbeit und ein tiefes Verständnis für das Ökosystem Zürichsee. Hier wird nicht industriell produziert, sondern mit Herz und Hand gearbeitet – Tag für Tag, bei Sonne, Wind und Regen.

Und wer früh genug am See ist, sieht vielleicht, wie Sämi Weidmann in aller Stille mit seinem Boot über das glitzernde Wasser zieht. Ein stilles Versprechen, dass Tradition, Natur und Handwerk auch heute noch Zukunft haben.

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